Lasst mich zum Jahresende auf einen wahrlich gut geschriebenen, wenn auch etwas gar überspitzt formulierten Artikel zum Thema Weinsnobismus verweisen, der im Tages-Anzeiger erschienen ist. Sich mit Wein intensiv zu befassen, macht den Weinkenner noch lange nicht zum Weinsnob. Aber man soll sich und die ganze Weinmaterie halt nicht immer so wichtig nehmen. Da muss ich dem Tagi-Schreiberling absolut recht geben. Und hey, Leute, steht zu Eurem Nichtwissen, anstatt wie das Kaninchen vor der Schlange „Wein“ in Ehrfurcht zu erstarren. Hallo… wir sprechen über Saft von vergorenen Früchten!Bei manchem Degu-Besuch stellen sich mir jeweils die Nackenhaare zu Berge. Freunde des gepflegten und kostenfreien Betrinkens, dann sagt halt dem das ganze Jahr hart schuftenden Winzer hinter dem Tisch, dass Ihr eigentlich keine Ahnung habt und gern mehr zu seinen Weinen erfahren möchtet; aber lasst um Himmels Willen diese auswendig gelernten Mantrafragen wie „wieviel Prozent Alkohol hat der“ oder „wie lange kann ich den noch lagern“ stecken. Genau dasselbe gilt beim Restaurantbesuch: Sommeliers – oder eher Kellner in den Läden, in denen Vinopathen und Vinopathienten verkehren – sind entweder selber nicht die grossen Weintheoretiker oder sie freuen sich aufrichtig, Aufklärung bieten zu dürfen. Denn die im Artikel erwähnte Mär vom aristokratisch, mitleidig guckenden Sommelier oder Kellner ist Hühnerkacke und eine Ausnahme, welche ich selber noch nie in dieser Form erfahren musste. Aber eine von der weinarokratischen Gesellschaft von steifkragigen, Monokel tragenden und spitzmündisch und spöttisch auf uns herunterschauenden Weinsnob eingeschüchterte breite Masse darf es in der heutigen Zeit nicht mehr geben.
Der Artikel bringt es auf den Punkt: „Das Wappentier der Höflichkeit ist das Chamäleon: die Angleichung an das Gegenüber. Monologe, Namedropping und Expertentum hingegen gehören in kein Benimmbuch.“ Wein soll gut schmecken und genau deshalb Spass machen. Unter Vinopathen und Weinenthusiasten darf sich das Gespräch beim Degustieren oder sonst in trauter Runde durchaus auf einem für den „normalen“ Weingeniesser nicht zumutbaren Level abspielen. In gemischter Runde hingegen soll sich der Vinopath vom grossen Heer der Halbwissen-sabbelnden Wichtigtuer abheben und so den Mittrinkenden nicht die Freude am Trinken vergällen, sondern im Idealfall den Einen oder Anderen – in erträglicher Häppchenform – für die so vielschichtige und spannende Materie begeistern. Zeugen JehoFASS und ihre Überzeugungen gehören an die Haustüren oder in erstarrtem Zustand in die Fussgängerzone, aber nicht in eine plauschige Feierrunde…
In diesem Sinne wünschen die Vinopathen frohe Festtage und einen guten Rutsch ins neue Jahr. Bleibt uns auch im 2012 treu.
Frohes Weinsein!